Der Garten der Musik
Eine kleine Oase der Menschlichkeit im Auffanglager Moria.
In 3 aufeinander folgenden Nächten wurde dieser Ort weitestgehend vernichtet.
Es war für viele absehbar, fast eine logische Konsequenz nach jahrelanger verfehlter europäischer Migrationspolitik: drastischer umgesetzter Abschreckungspolitik mit schrecklichen Bildern und belegbaren Push Backs auf dem Meer und Land.
Verbrannt, verbogen, verstört.Die Wut auf die seit Jahren menschenunwürdigen Zustände in Moria hat sich entflammt.
Entgegen der Hoffnung auf eine Evakuierung der nun obdachlosen Menschen, baute das griechische Militär in wenigen Tagen auf stürmischen Gelände um einen Hügel herum Zelte auf.
Im Winter sagen Einheimische wird der Ort manchmal vom Meer überflutet.
Zwischen Stacheldraht und Wasser suchen die Soldaten nach Minen vor den Augen der durch die Flucht vorm Feuer zum Teil erneut traumatisierten Menschen.
Ich sehe einige wenige Kinder in der glühenden Sonne stehen. Hier gibt es keine Olivenbäume, keinen Schatten. Es ist unheimlich ruhig hier an Tag 2 des „neuen Morias“.
Die Menschen sind völlig erschöpft von den letzten Tagen voller Hunger, Hitze und Gewalt des Brandes.
Auf der der anderen Seite des dieser Tage sehr stürmischen Meeres, ist die Küste der Türkei klar zu sehen.
Es gibt zu wenig Wasser, keine Duschen. Nur in der sogenannten durch NATO- Draht abgetrennten Corona-Zone gibt es fließendes Wasser, Seife aber sehe ich nicht. Gar ausgestellt werden hier diejenigen, die doch den meisten Schutz brauchen.
Es ziehen sich die Schlangen für die Essensverteilung durch die zu eng aneinander gebauten Zelte, in denen bis zu 3 Familien leben müssen. Das neue Lager platzt jetzt schon am 2. Tag aus allen Nähten. Die Schlangen, sagt mein Aufpasser, die soll ich aber nicht filmen.
Nichts stimmt hier, nichts ist besser. Es ist schlimmer als je zuvor. Wenn in Moria gefilmt werden darf, nur das was der Aufpasser erlaubt.
Das neue Camp, Moria 2.0 wird es auch genannt soll ein temporäreres Lager sein, sagt der griechische Ministerpräsident Mitsotakis. Bis Ostern sollen die meisten Geflüchteten die Insel verlassen. Gleichzeitig verspricht die Regierung den Menschen in Nordgriechenland, dass auch dort keine neuen Camps entstehen werden. Das Gelände soll für 5 Jahre gepachtet sein worden. Auch Land um die verbrannte Erde herum wurde angeblich gekauft. Viele Gerüchte. Doch wieder ein neues überfülltes menschenunwürdiges Lager?
Auch unter dem Druck von manchen NGOs, die hier jahrelange versuchten die katastrophale Lage zu mildern, ist das neue Lager nicht vollkommen abgeriegelt. Noch nicht.
Eine begrenze Anzahl Menschen darf hinaus. Manche von ihnen laufen zurück nach Moria, um nachzusehen, ob nicht vielleicht doch etwas von dem Wenigen, das sie hatten von den Flammen verschont blieb.
Geblieben ist der beißende Geruch von viel zu vielen Menschen auf zu engem Raum ohne ausreichend Wasser.
Auch meine Protagonisten kehren zurück. Wir finden die „Schlüssel“ der Gitarren in der Asche von Moria.
Auf dem Weg zurück höre ich Kinder rufen. Sie rennen aus einem halb verbrannten Zelt, in das sie sich einen Erdofen gebaut hatten.
Sie sind zurückgekommen, um Brot zu backen, das sie uns sofort anbieten.
Die Menschen hier hatten sich eingerichtet. Irgendwie versucht ein klein wenig Freiheit aufzubauen.
Es gab einen Markt, es gab Schulen und Angebote zahlreicher NGOs, und es gab den Musikunterricht von Babis, Asif, Costas und Miki, der die Gesichter der Menschen zum Lächeln brachte. Das alles erscheint uns in diesem Moment vernichtet. Eben auch all das „Gute“, das Menschliche an diesem Ort.
Vielleicht war ich seit Beginn meiner ersten Dreharbeiten im Sommer 2018 zu naiv in der Hoffnung auf ein endlich solidarisches Europa.
Doch in den Tagen hier auf Lesbos wird glasklar, dass die Insel für die Menschen das bleibt, was sie schon viel zu lange ist. Ein Gefängnis als Zeichen der Abschreckung.
Für die Geflüchteten und für die Einheimischem. Früher oder später wird es wieder „explodieren“, sagt einer meiner Protagonisten.
Nun, verlautet es aus Brüssel gibt es nach Jahren einen Plan der EU. Mit mehr Abschiebungen, mit viel Geld, aber ohne Solidarität für die Menschen.
Am Tag vor meiner Abreise erreicht mich dann eine gute Nachricht.
Alle meiner Protagonisten könne nächste Woche wieder arbeiten gehen. Es soll ein Ort nahe dem neuen Lager gepachtet werden.
Ein neuer Garten der Musik, an dem die Menschen von Moria wenigstens für einige Stunden ihrer Würde wiedererlangen können.
update Dezember 2020 ( Leider kann der Unterricht nur im alten Camp Kara Tepe angeboten werden) Jene im neuen Camp haben weniger bis keinen Zugang zu diesen wichtigen Projekten, denn sie dürfen das neue Camp fast nicht verlassen).
Zudem gibt fast 3 Monate später kein warmes Wasser, keine Duschen, nicht für alle Elektrizität, keine Heizung und eine unzureichende Essensversorgung.
Das liegt nicht daran, daß es kein Geld gibt. Mal wieder fehlt der politische Wille!